Februar 2016

Auf Heimaturlaub von Frontex – Frauke Petry geht der Saft aus

Eigentlich brauche ich eine Gleitsichtbrille, aber Lesen, also die Nähe gucken, kann ich gut ohne Brille. Ich bin nicht bereit, die Hälfte einer Brille mit Fensterglas zu bestücken, wenn diese Hälfte mindestens vierhundert Euro kostet. Also lege ich die Brille zur Seite, wenn ich in die Nähe gucken muss. Weil ich sie ja unmöglich an einem Band befestigen kann, so dass sie dann vor meiner Brust baumeln würde, wenn ich sie absetze. Oder sie über die Stirn, auf den Kopf schieben, das geht natürlich auch nicht. Also weglegen. Eben hocke ich auf dem Fußboden, pumpe einen Sitzball auf (als Maßnahme gegen andere Behinderungen), will ihn zustöpseln. Um das Loch zu treffen, muss ich es sehen. Also nehme ich die Brille ab, lege sie neben mich, denke: Achte darauf! Falls du aufstehen solltest – da liegt jetzt deine Brille! Ich stöpsele das Loch zu, was gut funktioniert, weil ich es sehen kann, dann stehe ich auf, und unter meinem rechten Fuß knirscht es, weil ich auf meiner Brille stehe. So geht das ständig. Ich habe was im Kopf, das irgendwie Sinn macht, schaue voraus, antizipiere pausenlos, und dann ist das wieder weg, Sekunden später, manchmal auch erst nach Minuten, was mich zuversichtlich stimmt. Gestern bin ich draußen, führe sinnlos die Viren auf meinen Schleimhäuten spazieren, da fällt mir ein, dass ich vor 6! Wochen ein Mikro, das mit Batterien betrieben wird, auf On geschaltet habe, ohne es nach Gebrauch wieder Off zu schalten. Seit 6 Wochen befindet es sich unbenutzt in Betrieb, und das fällt mir mitten auf der Straße ein. Ich gehe nach Hause. Die Batterien sind leer, aber noch nicht ausgelaufen. Willkommen in meinem Alltag, denke ich, und frage mich, woran ich gerade gedacht habe. Höchste Zeit, meinen Dienst bei Frontex wieder anzutreten. Zielschießen auf Frauke Petry. Mein Trefferbild zeichnet ein Hakenkreuz auf ihrer Stirn nach. Scheiß auf Brille.

Frauke Petry amputiert Kehlköpfe in Schland

Ganz ehrlich, ich hab keine Ahnung mehr, wer ich bin. Zu viel Welt. Kann’s nicht mehr sortieren, verarbeiten. Finde keine Position mehr. Ohne Position bin ich aber nicht mehr. Daran habe ich mich festgehalten, dass ich was weiß für mich. Egal, ob sich eine Position auch ändert, hauptsache, sie ist da. Ist sie aber nicht mehr. Zu viel Welt. Geh raus, sagen sie immer. Geh raus in die Welt. Das macht die Sache nicht besser. Ich darf nicht reden, denke ich. Mit dem Reden hörst du zu denken auf. Ohne zu reden, meine ich. Aber mit der Welt vor der Tür oder dahinter, da hat sich das geändert, das, was du sagen kannst. Du kannst das nicht mehr einfach so sagen. Deswegen verliere ich mich dann. Kommt darauf an, wie du was sagst, sagen sie. Ich sag das so, wie ich bin. Also, als ich noch war. Jetzt bin ich ja nicht mehr. Nur noch eine Erinnerung, und die wird schwächer. Weil ich immer schwächer werde. Ohne Position, die sich einfach nicht mehr finden lässt, für mich. Ob ich das bin oder jemand, den es gar nicht gibt, an den sich niemand mehr erinnern kann. Niemand weiß, wie er das sagen soll. Einfach zu viel Welt, um noch irgendwer zu sein, den ich erkenne. So still ist es dann. Gehst vor die Tür in diese Welt raus, und da ist nur Stille. 

Frauke Petry schöpft Mode

Ich trage ein schwarzes Kleid, wie andere zu Beginn des 20. Jahrhunderts, anlässlich des Todes von Königin Viktoria. Aber davon weiß ich nichts. Ich weiß nur, es ist das beste Kleid in meinem Schrank, und es wird Zeit, dass ich es trage. Ich bin fern einer Stadt; ich muss los, denke ich, und raffe die Röcke, laufe die Landstraße entlang, bin zu schnell, verpasse eine Abzweigung, mache kehrt, dann fällt mir ein: Was sollen die Leute denken? Was werden Einheimische von mir halten, wenn sie mich in diesem Aufzug zu Gesicht bekommen? Ich erweise ihnen meinen Respekt, aber so etwas wird leicht falsch verstanden, denn ich vergreife mich an ihrer Tradition. Ich bin nur Gast, aber maskiere mich als einer von ihnen. Das ist nicht tolerierbar. Noch glänzt mein Kleid, doch Schlamm spritzt überall. Ich habe nichts mehr, um mich umzuziehen, werde mich verstecken müssen, und am Ende werde ich doch in diesem Kleid begraben sein.

Frauke Petry an innerdeutschem Grenzübergang vor Furcht erschossen

Ich arbeite für Frontex. Das mache ich aus Überzeugung. Weil ich warte. Ich warte auf Frauke. Sie wird kommen; ich weiß es. Wenn sie kommt, bin ich bereit. Ich bin im Training. Niemand hätte mir das zugetraut. Dass ich so gut mit Waffen kann. Dass ich die Ziele treffe. Kleine Handfeuerwaffen liegen mir gut. Ich gehe gern nah an mein Ziel heran, so erziele ich viele Wirkungstreffer. Fangschüsse aus kurzer Distanz. Nähe ist relativ. Ich bin bereit. Ich sehe die Grenze. Wir sehen sie alle; wir warten nur auf die Befehle. Dann werden die Grenzen wieder sichtbar, also wirklich. Solange bin ich die Grenze. Solange ich die Grenze bin, ist die Grenze sicher. Frauke weiß das nicht. Sie weiß nichts von unsichtbaren Grenzen. Deswegen fürchtet sie sich. Sie muss sie sehen können. Aber sie sieht mich nicht. Sie denkt, sie versteht etwas davon, von der Grenze, die ich bin. Aber sie versteht nicht, dass sie die Grenze längst erreicht hat. Sie ist da. Ich lege an. Ich drücke ab. Ich bin ein guter Schütze. Aber ich bin unsichtbar.