April 2015

Andreas Lubitz - ein Co-Pilot

Eine Erinnerung muss man doch fühlen können. Wenn ich mich daran erinnere, dass ich morgens aus dem Haus gegangen bin und vor mir ein Flugzeug in die Alpen stürzt, dann kann ich mich im ersten Moment gar nicht daran erinnern, dass ich in den Alpen lebe. Aber dann ist sie auf einmal da, diese Alpenerinnerung. Als wäre ich schon immer dort gewesen, als wäre ich dort geboren worden, nur dass ich das überhaupt nicht fühlen kann. Es gibt einfach kein Gefühl für diese Geburt in den Alpen, und dann gehe ich aus dem Haus und will in die Schule, und vor mir stürzt ein Flugzeug in diese Alpen, und ich fühle das überhaupt nicht. Ich muss doch etwas fühlen bei so einem Unglück. Weil ich mich doch an dieses Unglück erinnern kann, muss doch da irgendein Gefühl sein. Aber wenn da kein Gefühl ist, was ist das dann für eine Erinnerung? Wer erinnert sich denn da? Was, wenn ich mich an etwas erinnere, das überhaupt nicht zu mir gehört? Weil es die Erinnerung eines anderen ist. Weil man mich zwingt, mich an etwas zu erinnern, an dem ich überhaupt nicht teilgenommen habe? Das mir überhaupt nicht passiert ist? Weil ich nie da war, in diesen Alpen. Daran erinnere ich mich jetzt, dass ich nie in den Alpen war, dass da nie ein Flugzeug war, das vor mir abgestürzt ist. Ich war das gar nicht. Ich war bei so einem Absturz nie dabei, daran erinnere ich mich. Aber was fühle ich dann? Was fühle ich denn gerade, wenn das gar keine Erinnerung ist, die mir gehört? Woher weiß ich denn, was stimmt? Wenn ich doch gar nichts fühle, was stimmt denn dann? Was stimmt dann nicht mir?