Dezember 2014

Jesu Geburt im Teutoburger Wald

Heilig Abend in einer Kirche in Lemgo. Die Gemeinde singt mehrstimmig. Josef heiratet eine schwangere Frau. Das Kind ist nicht von ihm. Die Zukunft der Familie beginnt im Jahre Null. Der Hilfsprediger erzählt, sein Sohn wohne 2500 Kilometer entfernt, er dürfe ihn nur jedes zweites Wochenende sehen. Er ist zornig. Auch er habe Rechte als Vater, unterstützt ihn der Diakon. Die Gemeinde besingt das Opfer. Am nächsten Abend muss sich Ralph de Bricassart entscheiden, wen er mehr liebt – die kleine Maggie, die auf einmal alles andere als klein ist, oder Gott, die Kirche, eine Kardinalsrobe.

Bund deutscher Mädchen in Afghanistan

Die NATO zieht die Berliner Mauer vor Russland wieder hoch. Vor der Post stehen sie Schlange. Deutsche Soldatinnen dürfen auch außerhalb Afghanistans nicht beleidigt werden, indem man sagt, sie seien dort unerwünscht. Frau von der Leyen trägt Trauer aus Seide und Spitze. Sie blättert sich durch einen grünen Aktenordner während einer Debatte, die sie ablenkt. Sie muss arbeiten. Sobald die Kameras sie einfangen, arbeitet sie. Es gibt keine deutschen Folterakten.

4. Advent – Hotel California

Im Café California am Ku’damm. Kronleuchter, der Kellner niest, in jeder Hand ein Tablett. Die Mutter kommt nicht klar. Der Hund ist weg, tot. Einsam; es gibt nichts zu tun. Marmorboden. An einem Tisch Hotelgäste – drei Frauen, zwei Männer. Wie fühlt sich die Mitgenommene? Kontrolleure in der U-Bahn, junge Frau, junger Mann, wie ein Paar, gut gekleidet, nicht zu enttarnen. Neue Strategie der BVG. Mir gegenüber junger Mann mit Bart. Er zieht seine braune Lederjacke aus, hängt sie über den Koffer neben sich. Riesige, aber weichverpackte Bizeps. Fragt nach dem Kaiserdamm. Kein Ehering. Zwei Regenbögen. Vier Kerzen.

OBI Total

Ich will mir die Haare schneiden. Die Braun-Haarschneidemaschine pflügt eine Schneise, reißt mir einen Büschel Haare aus, verhakt sich in einem weiteren. Es liegt am Akku, dem Motor oder dem Messer. Ich kaufe WD-40-Öl. Die Verkäuferin starrt mich an; ich habe keine Mütze auf. Zu Hause muss ich feststellen, es liegt nicht am Messer. Ich entsorge den Braun und öle das Scharnier der Badezimmertür, die seit zwei Jahren quietscht, sobald ich sie berühre. Ich fahre zu Media Markt, erstehe eine Philips-Haarschneidemaschine und gehe zu OBI. 

3. Advent - Mit meiner Mutter im Ritz Carlton

„Wenn es dich beruhigt, dass du schwitzt, dann schwitz“, meint meine Mutter und schmeißt die Tür hinter sich ins Schloss. Irgendetwas stimmt nicht mit der Grammatik dieses Abschiedsgrußes. Ich schwitze und beruhige mich, danach gehe ich auf die Straße und frage bei Mannis Kiosk nach, wie viel meine Mutter heute schon verspielt hat. Mohammed meint, die Automaten hätte er sperren können, aber sie sei in einer der Kabinen online gegangen und spiele jetzt Poker ohne Limit. Ich versuche sie da rauszuzerren, ohne Erfolg. Sie schreit um Hilfe und behauptet mich nicht zu kennen.

Väterchen Frost oder Putins Katzenwäsche zum 2. Advent

Die nördliche Polarnacht rückt immer weiter nach Süden vor. LED-Leuchten werden im Minutentakt gewechselt; es wird trotzdem nicht heller. Plünderer ziehen durch die Depressionsgehäuse. Schweizer Katzenfleisch füllt die Gartöpfe in den Großküchen. In einem Turm über den Schneewolken hocken dicht aneinandergedrängt junge, dünne Männer; ihre Anzüge leuchten gelb und rot.

Bleiberecht für EU-Söldner

Entweder du hast  Persönlichkeit oder du hast keine. Erzähl das mal den Leuten, die sämtliches Metall aus deiner Wohnung holen. Früher haben sie dich gefragt, oder Aushänge gemacht und man konnte sich melden: Ich habe eine Waschmaschine, Hanteln, ipads – und sie haben sich das Zeug geholt. Aber jetzt stürmen sie in Uniformen deine Wohnung und nehmen schlichtweg alles mit, das irgendwie metallisch riecht oder aussieht.